KICKERS Magazin 09 - page 10-11

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Wohin jetzt? Der ebenfalls organisierte Sportplatz des SK Windhoek wurde im
Auftrag der Rothosen zwar seit zwei Tagen von einem ausgewanderten deutschen
Landschaftsgärtner namens Derrick gepflegt, das Gras auf ein Minimum gestutzt
und die Unebenheiten mit der Walze geglättet. Doch aller Einsatz brachte nicht
das gewünschte Ergebnis. Training auf diesem holprigen Geläuf mit dem stump-
fen Grün hätte ein zu großes Verletzungsrisiko bedeutet. Also schaute Trainer
Bernd Hollerbach die kräftige und furchteinflösende Emily vor den eisernen To-
ren des Nationalstadions etwas verliebt an, erklärte ihr mit viel Geduld die Situati-
on. Es nutzte auch der Charme von Teammanager Norbert Mahler nichts. Reden
half nicht. Der letzte Ausweg schien eine Hand voll Dollar, namibischer Dollar –
nicht für Emily, sondern für die Kaffeekasse, was sich von alleine versteht. Emily
wurde nachdenklich, und ehe sie überhaupt antworten konnte, hatte sie noch eine
Tafel Schokolade in der Hand. Die Stadiontore gingen auf. Emily lächelte.
Nur eine Episode, die Bernd Hollerbach am ersten Tag noch als „chaotisch“ be-
zeichnet hätte. Nicht aber bei der Abreise. „Das ist Afrika“, wusste der Coach, der
schnell gelernt hat, dass die Zeit in Namibia langsamer voranschreitet, die Men-
schen gemütlicher sind und Hektik nur Gäste verbreiten. „You have the watch,
we have the time“, entgegnen Einheimische gerne, wenn der Geduldsfaden des
Gegenüber kurz vor dem Zerreißen ist. An der Supermarktkasse etwa, wo Team-
betreuer Klaus Orner die tägliche Wasserration besorgt hat, wird jedes Fläsch-
chen einzeln eingetippt, die Quittungen sind lange, gleichem einem Tischläufer.
Noch so eine afrikanische Anekdote. „Damit muss und kann man leben“, weiß
Hollerbach nach den zehn Tagen in Afrika, die er nimmermüde als „optimal für
ein Trainingslager bezeichnet“: Es war schließlich gut vorbereitet – und spätes-
tens nach ein paar Tagen konnte die Kickers nichts mehr überraschen. Anders als
vielleicht manch anderen Klub, der sich in der Türkei vorbereitete und wie Bayer
Leverkusen auf dem Hotelflur trainierte, weil die Plätze vom sintflutartigen Regen
überschwemmt waren. „In Deutschland“, sagte Hollerbach mit einem Lächeln auf
den Lippen, „soll es schneien, wurde mir berichtet.“
Schnee kennt Lolo Goraseb auch. Der Beckenbauer Namibias, der mit Vornamen
eigentlich Sylvester heißt und der sein Land 1989 zum Africa Cup nach Burkina
Faso führte (es war die erste Teilnahme überhaupt für die „Brave Warriors“), spiel-
te einst für den TSV 1860 Rosenheim, absolvierte Probetrainings bei Bayer Le-
verkusen und der SpVgg Unterhaching. In den Kickers-Tagen von Afrika war der
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